Thursday, April 30, 2009

Ransmayrs "Der fliegende Berg" - Kitsch oder wunderschöner Epos?

Christoph Ransmayrs “Der fliegende Berg” war der erste Roman, den ich für das Seminar in den Semesterferien gelesen hatte. Daher habe ich mich relativ unvoreingenommen auf das Buch eingelassen und war fasziniert von der poetischen Sprache Ransmayrs. Schon das erste Kapitel hat mich in seinen Bann gezogen. Das Buch fängt mit den Zeilen: “Ich starb / 6840 Meter über dem Meeresspiegel / am vierten Mai im Jahr des Pferdes.” an, und schon ist man mittendrin in Ransmayrs Epos über Bruderliebe und -hass, Natur und Moderne, Leben und Tod.
Viel mehr als der Inhalt hat mich an diesem Roman die Sprache gefesselt. Ransmayr schafft es, sehr detailgetreu zu schreiben, und dabei wunderschöne Bilder zu evozieren:

“Die Lufttemperatur meiner Todesstunde
betrug minus 30 Grad Celsius,
und ich sah, wie die Feuchtigkeit
meiner letzten Atemzüge kristallisierte
und als Rauch in der Morgendämmerung zerstob.” (9)

“Und die Sterne erloschen auch nicht,
als über den Eisfahnen die Sonne aufging
und mir die Augen schloss,
sondern erschienen in meiner Blendung
und noch im Rot meiner geschlossenen Lider
als weiss pulsierende Funken.” (10)

Viele Kritiker scheinen allerdings gar nicht meiner Meinung zu sein, für sie ist Ransmayr “ziemlich kitschig” (Peter Mohr, Titel Magazin), im Tonfall “einer esoterischen Kunst” geschrieben (Ijoma Mangold, Süddeutsche), und die NZZ Online schreibt: “Der hohe Ton, den Ransmayr wie kaum einer beherrscht, läuft Gefahr, sich abzunutzen, und er stösst da an seine Grenzen, wo es Banales zu erklären gibt (wie etwa ein Mousepad)”. Auch Rachel Vogt von der WOZ findet, dass Ransmayr sich in Platitüden verheddert, wenn er von der Liebe spricht.
Es mag sein, dass Ransmayrs gehobener Stil tatsächlich nicht für alle Beschreibungen von Alltäglichkeiten angemessen ist, und zuweilen etwas seltsam anmutet. Man darf aber nicht vergessen, dass dieses Buch eigentlich dazu bestimmt ist, vorgelesen zu werden, und daher der Klang der Sprache, die Wortwahl und die Zeilenumbrüche besonders wichtig sind. Mit diesen Werkzeugen schafft es Ransmayr, wunderschöne, eindrückliche Passagen zu erschaffen:

“Ich war gestorben.
Er hatte mich gefunden.” (11)

“Ich war müde, unsagbar müde.
Wollte liegenbleiben.
Liegenbleiben, schlafen.
Schlafen.” (15)

“Sie beugten sich über mein Elend,
über einen von der Sonne und vom Frost
verbrannten Fremden,
der mit blutenden Händen zu ihren Füssen lag
und der nach den Erzählungen des Sängers
vom fliegenden Berg gefallen war,
aus dem Himmel
in den Schnee.” (23)

So stimme ich mit Ludger Lütkehaus von der Zeit überein, der schreibt: “Aber Ransmayrs Fliegender Berg erinnert auch daran, dass gerade große Literatur öfters dort entsteht, wo die Kitschgrenze nur haarscharf vermieden wird.“

1 comment:

  1. Das ist ein sehr schöner blog-post und spricht mir aus der Seele. Ich bin irgendwie immer noch gefangen von den Bildern und Landschaftsbeschreibungen, sowie den Gefühlen des Romans. Die rauhen Bilder und Erinnerungen aus Irland liessen mich zwar manchmal jäh erwachen, aber trotzdem... wunderschönes Buch, und nicht kitschig, einfach schön... romantisch.
    Schön mit diesem Roman aufzuhören, wir hätten aber auch damit anfangen können. Freue mich auf unsere Diskussionen am Freitag... bin gespannt...

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