In Durs Grünbeins Roman Vom Schnee trifft der Leser den Menschen Descartes, der mit seinem Diener Gillot 1619 in einem süddeutschen Städtchen den Winter verbringt. Grünbein stellt uns den Menschen Descartes vor, der immer wieder den Konflikt von Körper und Geist erlebt. Im ersten Teil des Buches verkörpert der Diener Gillot das Körperliche, während Descartes als geistiger Lehrer auftritt. Grünbein versteht es mit feinem Witz diese getrennt gelebte Form des Dualismus und des Rationalismus auflaufen zu lassen. Fast schon grotesk wirkt die Situation als Descartes seinem Diener ‚Trost’ spendet, als dieser von einem erfrorenen Bauernkind im Dorf erzählt. Er habe geweint, erwähnt Gillot, den die tragische Geschichte berührt. Descartes erwidert darauf:
„Was lehrt uns das?“ „Monsieur ich habe geweint.“
„ Ein edler Zug – und ein Reflex. Schau, ein Kanal
Führt von den Tränendrüsen in den Sack der Bindehaut.
Dort staut es sich das salzige Sekret. Wir blinzeln,
Und mit dem Lidschlag wird es angesaugt uns schiesst –
Ein Dammbruch, in den Tränensack und bricht hervor:
Und schon verschwimmt die Welt vor unsern Augen.
Du schnappst nach Luft, dann spült der Tränenfluss dich fort.
Der Anlass? Findet sich. Das Herz wird leicht durchzuckt.
Was zählt, ist das Prinzip. Hydraulik. Wasserdruck.“
Gillot ist daraufhin verwirrt und versucht dann doch noch einmal seine Gefühlslage auszudrücken, verstummt schlussendlich aber.
Grünbein gelingt es einen grossen Denker und seine Theorie in die gelebte Welt zu setzen, und ihn dabei straucheln zu lassen, wie jeder andere Mensch auch - ohne respektlos, moralisch, oder sarkastisch zu werden.
Grünbein Durs, Vom Schnee 2003
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