Tuesday, March 17, 2009

Quilted


"and I remembered how you once thought the quilt was Paris,
the quartiers demarcated by pattern and colour." (Carson, Ciaran: For All We Know. Winston-Salem (NC): Wake Forest University Press, 2008. S.35)
In Ciaran Carsons 'For All We Know' wird Information verzettelt hingeworfen. Jede Aussage steht zugleich für sich und im unendlich erweiterbaren Diskurs mit weiteren, neuen, die eben erst erzählte Geschichte in ganz anderes Licht rückenden Hinweisen. Nicht zufällig ist darin der "quilt" eines der am hartnäckigsten wiederkehrenden Bilder. Stellt man sich darunter einen crazy quilt, also eine patchwork-Decke, vor, so evoziert der Begriff das Bild einer langen Familientradition. Jede Generation fügt dem Gewebe der Decke neue Flicken hinzu, womit die unterschiedlichsten Generationen und damit die unterschiedlichsten Wert- und Weltvorstellungen, Ideale und Ideen, in einem Diskurs über Zeit und Ort hinweg zusammengehalten werden.
Selbstverständlich provoziert das patchwork aber gleichzeitig das dem obigen scheinbar entgegengesetzte Bild der Uneinigkeit, des Chaos, der Unordnung: jeder Flicken antwortet schliesslich von einer neuen, anderen Position: aus einer anderen Welt heraus auf die vorhergehenden. Aber die Beharrlichkeit, mit welcher der Text auf dem quilt – und damit auf dem scheinbaren Widerspruch – insistiert, löst diesen scheinbaren Dualismus auf. Kontinuität (Tradition, Wiederholung, Einigkeit) und Diskontinuität (Diskurs, Kritik, Differenz) sind in der Idee der Flickendecke vereint – wie die Summe der unterschiedlichsten Viertel einer Grossstadt sich zur Vorstellung: Paris! zusammenfügen. Und dann muss ich wohl, weil ich schon bei Paris bin, das Offensichtliche erwähnen und dadurch entmystifizieren: dass nämlich die Liebe das Nähgarn dieses Flickwerks ist.
Nicht zuletzt handelt es sich bei unserem Objekt um ein wohliges, wärmendes, schützendes Stück Stoff, wobei all diese seine Eigenschaften von den unterschiedlichen, widersprüchlichen Flicken abhängen: ohne das Stickgarn sind die Flicken nichts wert. Es gilt also, sich dem Diskurs der Meinungen auszusetzen und vor allem gilt es, zu scheitern: daran zu scheitern, seine Erkenntnis zu missionieren – und es dennoch weiter zu versuchen. Dies ist nicht etwa eine Kontradiktion: Ohne beide Elemente ist ein quilt kein quilt. Wie das auf manche Menschen übertragbar ist, das zu erklären führte hier wohl zu weit vom Text weg. Dass aber die wärmende, diskursgeladene patchwork-Decke einen Menschen wärmen kann, ist jedem einsichtig und als solches auf jeden Fall in die Tradition zu stellen, aus welcher das folgende, abschliessende Zitat stammt, bei welchem mir jedenfalls wird, als wärmten mich die Gedanken von Generationen: "La lutte elle-même vers les sommets suffit à remplir un coeur d'homme. Il faut imaginer Sisyphe heureux." (Camus, Albert: Le mythe de Sisyphe. Paris: Gallimard, 1942. S. 168).

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